Was ist eigentlich Yin Yoga?
Yin Yoga ist ein passiver und sehr ruhiger Yogastil, in dem die Positionen länger gehalten werden. Bis zu 5 Minuten verweilen wir in einer Haltung und nutzen die Schwerkraft, um allmählich loszulassen. Durch die längere Verweildauer wird der Körper auf sanfte Art und Weise gedehnt und gestärkt, wobei die intensiven Dehnungen bis zum tiefer liegenden Bindegewebe und zu den Faszien wirken. Yin Yoga bildet einen wunderbaren Ausgleich zu unserer meist sehr Yang-orientierten Yogapraxis, wie wir sie aus dem Vinyasa oder Ashtanga Yoga kennen.
In diesem Artikel stellen wir dir diesen sanften Yogastil vor. Du erfährst, was Yin Yoga ist und wie Yin Yoga wirkt, und am Ende zeigen wir dir noch unserer liebsten Yin Yoga Übungen.
Yin Yoga oder: Zurück in die Stille
Einfach mal nichts tun - das klingt so einfach. Im Alltag nehmen wir uns allerdings viel zu selten Zeit, um wirklich zur Ruhe zu kommen und die Seele baumeln zu lassen. Stattdessen hetzen wir von einem Termin zum Nächsten, sind rund um die Uhr erreichbar und werden medial mit Reizen überflutet. Yin Yoga gibt uns die Möglichkeit, innezuhalten und uns in Stille und Selbstwahrnehmung zu üben. Durch das längere Halten der Positionen bekommen wir die Gelegenheit, uns selbst zu erfahren. Die sanfte Praxis hilft uns dabei, den Blick nach innen zu lenken, das vegetative Nervensystem zu beruhigen und Körper und Geist zu entspannen.
Bekannte Yogastile wie Vinyasa Yoga, Power Yoga oder Ashtanga Yoga sind eher körperlich orientiert und wirken auf der muskulären Ebene. Diese Yang-orientierten Yogastile sind dynamisch, kräftigend und aktivierend. Im Gegensatz dazu ist Yin Yoga eine meditative, langsame und achtsame Yogapraxis, die die tiefer liegenden Körperschichten wie die Faszien anspricht. Während Yang für Aktivität, Hitze, Bewegung und das männliche Prinzip steht, repräsentiert Yin die Passivität, Kühle, Ruhe und das weibliche Prinzip. Yin Yoga wird immer “kalt”, also ohne Aufwärmen geübt, da Yin eine kühle Qualität ist und sich das fasziale Gewebe am besten unaufgewärmt dehnen kann. Yin Yoga zielt darauf ab, ein Gleichgewicht zwischen Yin und Yang herzustellen und bildet einen wichtigen Ausgleich zu unserer ansonsten recht aktiven Yogapraxis und Lebensweise.
Bekannt geworden ist Yin Yoga durch Paul Grilley, der 1987 einen Fernseh-Beitrag über den äußerst flexiblen Kampfsportler Paulie Zink sah. Dieser verdankte seine Beweglichkeit dem Taoistischen Yoga, das er selbst praktizierte und unterrichtete und das von lange gehaltenen Dehnungen sowie dem Einfließen der 5 Elemente geprägt war. Paul Grilley war davon so beeindruckt, dass er Paulies Schüler wurde. In den darauffolgenden Jahren vertiefte Grilley sein Wissen über die menschliche Anatomie und bot seine eigenen Taoist Yoga Stunden an. Sarah Powers, selbst Yogalehrerin und eine Schülerin von Grilley, war es schließlich, die den neuen Stil mit Komponenten der buddhistischen Philosophie verfeinerte und ihm den Namen Yin Yoga gab.
Wie wirkt Yin Yoga und für was ist Yin Yoga gut?
Die Wirkung von Yin Yoga basiert vor allem auf dem längeren Verweilen in den Positionen. Die langen, intensiven Dehnungen sprechen die tiefer liegenden Körperschichten wie Faszien, Sehnen, Bänder und Gelenke an und sorgen außerdem dafür, dass verschiedene Meridiane angesprochen und eventuell vorhandene Blockaden gelöst werden. Als Meridiane werden in der traditionellen chinesischen Medizin die Energiebahnen bezeichnet, die unseren Körper wie ein Netz durchziehen. Sie sind vergleichbar mit den Nadis aus dem Yoga, durch die das Prana, unsere Lebensenergie, fließt.
Beim Yin Yoga geht es weniger um das Ankommen oder das Erreichen eines bestimmten Ziels. Es geht nicht darum, eine Position besonders gut auszuführen. Es gibt keine perfekte Ausrichtung und auch keine wirkliche Vorgabe, wie die Position auszusehen hat. Stattdessen lernen wir, alles zu akzeptieren und anzunehmen, was gerade präsent ist: Unseren Körper, unseren Atem, den gegenwärtigen Moment. Wir lernen, dem Körper zu vertrauen und den Dehnungsschmerz zuzulassen, ohne unsere Grenzen zu überschreiten; unsere inneren Widerstände loszulassen und uns der Position und dem Moment hinzugeben. Wenn uns das gelingt, kann Yin Yoga durchaus über die körperliche Ebene hinausgehen und uns auch auf energetischer und mentaler Ebene weiterbringen.
Eine regelmäßige Yin Yogapraxis kann nachhaltig die Flexibilität verbessern, verklebte Faszien lösen, den Energiefluss und den Stoffwechsel ankurbeln, Verspannungen und emotionale Blockaden lösen, Körper und Geist entspannen sowie unbewusste Muster und Denkweisen zum Vorschein bringen.
Ist Yin Yoga für Anfänger geeignet?
Yin Yoga ist sehr gut für Anfänger geeignet. Die langsame und achtsame Praxis ist ideal für einen ersten Kontakt mit den Yogaübungen. Doch auch wenn die Positionen von außen einfach aussehen, kann Yin Yoga durchaus anstrengend sein. Zunächst einmal werden die Yin Yoga Übungen wesentlich länger gehalten, als wir es aus anderen Stilrichtungen gewohnt sind - in der Regel 3 bis 5 Minuten. In der fortgeschrittenen Praxis können die Haltungen sogar bis zu 15 Minuten dauern.
Die lange Verweildauer kann für so manchen eine kleine Herausforderung darstellen. Dabei sind die Positionen an sich gar nicht schwer: die meisten Yin Yoga Übungen finden im Sitzen oder Liegen statt. Beim Yin Yoga begegnen wir aber einer ganz anderen Herausforderung: nämlich der, innerlich und äußerlich vollkommen still zu werden. Sind wir es nämlich nicht gewohnt, innezuhalten und uns mit dem auseinanderzusetzen, was in der Stille zum Vorschein kommt, kann das ganz schön anstrengend sein. 5 Minuten können einem da schonmal wie eine halbe Ewigkeit vorkommen. Doch wie bei allem anderen gilt auch beim Yin Yoga: Übung macht den Meister. Mit der Zeit fällt es uns immer leichter, präsent zu bleiben und die Yin Yoga Praxis zu genießen.
Was brauche ich für Yin Yoga?
Da die Positionen länger gehalten werden, als wir es aus dynamischen Yogastilen gewohnt sind, werden im Yin Yoga gerne Hilfsmittel wie Yoga Bolster, Blöcke, Gurte und Decken verwendet. Diese Utensilien helfen uns dabei, uns in den Positionen so einzurichten, dass wir diese bequem und über einen längeren Zeitraum halten können. Bolster werden zum Beispiel gerne eingesetzt, um den Brustkorb in Rückbeugen zu öffnen und zu dehnen. Sie können uns aber auch in Vorbeugen als bequeme Unterlage zum Abstützen dienen. Die Blöcke können kreativ eingesetzt werden und überall da zum Einsatz kommen, wo wir ein wenig Unterstützung brauchen: Unter den Händen, unter den Knien, unter dem Gesäß oder auch unter der Stirn. Gurte werden gerne zur Verlängerung der Arme verwendet. Und die Decke kann zur Unterstützung der Knie in manchen Positionen dienen. Gerne wird sie aber auch unter dem Gesäß eingesetzt, um das Vornüberkippen des Beckens in Vorbeugen zu erleichtern.
Unsere liebsten Yin Yoga Übungen
Libelle, Drache, Raupe, Liegender Schmetterling, Halber Frosch: Im Yin Yoga besitzen die Positionen oft etwas andere Namen, als wir sie aus den dynamischeren Yogastilen kennen. Das liegt daran, dass die Positionen zwar ähnlich aussehen, aber doch etwas anders ausgeführt werden: Nämlich ohne die Vorgabe, wie die Position auszusehen hat und ohne muskuläre Anspannung. In den Yin Yoga Übungen geht es um unsere innere Haltung und um das Wahrnehmen unseres Körpers, unserer Gedanken und unserer Emotionen. Wir richten uns in der Position ein und nutzen die Schwerkraft und unseren Atem, um allmählich still zu werden und loszulassen. Wir stellen dir hier ein paar unserer liebsten Yin Yoga Übungen vor.
Die Kindeshaltung
Die Kindeshaltung oder Stellung des Kindes schenkt uns auch im Yin Yoga pure Entspannung und entlastet unsere Wirbelsäule. Du kannst sie ganz klassisch üben oder, wie hier auf dem Bild zu sehen, in der weiten Variante und von einem Bolster unterstützt.
Ausführung: Komme in einen Fersensitz und bringe die Knie mattenweit auseinander. Die großen Zehen berühren sich. Lege ein Bolster längs vor dich und lege den Oberkörper bequem darauf ab. Die Arme kannst du rechts und links neben dem Kissen ablegen und den Kopf seitlich drehen. Alternativ kannst du auch deine Hände unter deine Stirn legen. Bleibe hier bis zu 5 Minuten und lass dich entspannt in die Erde und die Position sinken.
Liegender Schmetterling im Yin Yoga
Der liegende Schmetterling im Yin Yoga schenkt uns eine wunderbare Öffnung im Brustkorb und den Schultervorderseiten sowie eine sanfte Öffnung in den Beininnenseiten und der Hüfte.
Ausführung: Setze dich auf deine Matte und lege ein Bolster längs hinter dich. Lege nun die Fußsohlen aneinander und klappe die Knie nach außen. Je näher deine Füße dabei an deinem Becken sind, desto intensiver wird die Dehnung in der Hüfte. Für zusätzliche Unterstützung kannst du dir jeweils einen Block unter deine Knie oder die Oberschenkel legen. Rolle dich nun auf das Kissen ab und komme so in eine entspannte Rückbeuge. Die Arme kannst du seitlich neben dir ablegen, die Handflächen nach oben gerichtet. Bleibe hier bis zu 5 Minuten und lass dich entspannt in die Erde und die Positionen sinken.
Viparita Karani
Die Umkehrhaltung Viparita Karani mit Bolster ist eine sanfte Alternative zum Schulterstand. Die Position sorgt für eine gute Durchblutung und entlastet die Beine und Füße. Sie schafft Abhilfe bei müden, schweren Beinen und ist die perfekte Asana, um nach einem langen Tag herunterzukommen. Du kannst sie auch gegen eine Wand üben.
Ausführung: Lege dich auf den Rücken und stell deine Füße vor dem Gesäß auf. Hebe nun das Becken an und lege ein Bolster quer unter dein Gesäß. Streck nun ein Bein nach dem anderen in Richtung Decke. Die Arme kannst du seitlich neben dir ablegen und hinter deinem Kopf ausstrecken. Bleibe hier bis zu 5 Minuten und genieße die sanfte Umkehrhaltung.
Wir hoffen, wir konnten dein Interesse für diesen sanften Yogastil wecken und wünschen dir viel Spaß bei deiner Yin Yoga Praxis! Falls du nun Lust bekommen hast, mit dem Yin Yoga anzufangen, findest du hier unsere liebsten Yin Yoga Hilfsmittel:
Die Autorin
Shirani ist mit Leib und Seele Yogi. In Köln unterrichtet sie verschiedene Yogakurse, leitet unser bodhi Yogastudio und schreibt außerdem die Texte bei Bodynova. Für sie die perfekte Kombination, da sie hier ihre großen Leidenschaften Yoga und Schreiben zusammenbringen kann. Wenn sie nicht mit ihrem Hund und ihrem Camper in der Natur unterwegs ist, singt sie auch sehr gerne.
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